ANNO DOMINI IX. by Enno E. Dreßler
Autor:Enno E. Dreßler [Dreßler, Enno E.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783844898910
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
KAPITEL V: ABSCHIED UND AUFBRUCH
Am Tiberufer hatte Privatus wieder ungeduldig mit dem Wagen auf Sigfrid gewartet und in rasender Fahrt ging es zurück zum Landgut. Trotzdem war es bereits Tag, als die beiden es erreichten. Eine unbemerkte Rückkehr schien Privatus unmöglich, eine Strafe für die unerlaubte Ausfahrt unausweichlich. Also beschloss Privatus, erst gar nicht heimlich zu tun, sondern sich von der HauptstraÃe dem Landgut zu nähern. Doch anders als sonst um diese Zeit, war weit und breit niemand auf den Feldern zu sehen, das Landgut wirkte regelrecht verwaist. Privatus und Sigfrid sahen sich verwundert an. Im Hof koppelten sie die Pferde ab, banden sie notdürftig fest, zogen den Wagen in die Remise und gingen hinüber zum Haupthaus. Schon von drauÃen hörten sie Jammern und Wehklagen. Privatus sah Sigfrid erschrocken an. âUnserem Herrn wird doch nichts zugestoÃen sein?â
Als die Nachtschwärmer das Haus betraten, bewahrheitete sich jedoch die schlimme Befürchtung des treuen Privatus. Der Hausherr war gestorben. Sein Leichnam war im Tablinum aufgebahrt. Lydia trat im Atrium auf die beiden zu. Ihr Gesicht war vom vielen Weinen ganz verquollen. âGajus starb vergangene Nacht.â
Vergangene Nacht? Sigfrid war entsetzt. Als er zum ersten Mal die körperliche Liebe erlebte, war sein geliebter Ziehvater Gajus gestorben. âWoran ist er denn gestorben?â
âDie Strapazen der Feldzüge haben sein gutes Herz geschwächtâ¦â, sagte die hinzugetretene Livia schluchzend, âam Nachmittag wurde ihm auf einmal übel und er legte sich hin. Als ich ihn zum Abendessen rief, kam er nicht und ich schaute nach. Da fand ich ihn bleich und schweiÃgebadet, sein Puls war kaum noch zu spüren. Kurz darauf starb er in meinen Armen.â Ein Strom von Tränen rann über Livias Gesicht. Sigfrid drückte sie an sich. âWeine nicht, meine liebe Mutter, bitte weine doch nicht!â Livia bedankte sich mit einem Lächeln für diese Geste des Mitgefühls. Dann gingen Sigfrid und Privatus sich waschen und neu einkleiden, anschlieÃend begaben sie sich zu den anderen ins Tablinum. Sigfrid trat vor den Leichnam, senkte sein Haupt, verharrte lange im Schweigen, sprach dann leise: âDanke, lieber Gajus, dass du mir die Idee eines gerechten Rom schenktestâ, wandte sich ab und reichte Lydia die Hand. Livia bemerkte hinter der beherrschten Fassade ihres Ziehsohnes dessen tiefe, verzweifelte Trauer. Sie trat auf ihn zu und schloss ihn schluchzend in ihre Arme. âGajus hat mit seinen letzten Worten nach dir gefragt.â
Jetzt konnte Sigfrid seine Tränen nicht mehr zurückhalten und begann zu weinen. Auch dem Diener Privatus, der abseits stand, traten Tränen in die Augen. Er hatte seinen Herrn geliebt und würde die vielen guten Gespräche mit ihm sehr vermissen.
Nach drei Tagen Trauer wurde der Leichnam gemäà dem Willen des Verstorbenen in voller Rüstung auf einem Bett aus Elfenbein und Holz verbrannt und der Leichenbrand mit einer tönernen Urne in einer Nische des Gartenumgangs beigesetzt. Livia stellte sein Wachsbildnis im Ahnenschrein des Hauses auf. Dann entrollte sie in Gegenwart von Marcia, Lydia, Sigfrid und Privatus das Testament ihres Mannes. Gajus hatte Sigfrid adoptiert und ihm seinen Namen vererbt. Fortan hieà der junge Germane âGajus Mimus Armenius Sigifridusâ und war römischer Bürger.
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